Der größte je von Kranbau Köthen gebaute Zwei-Träger-Brückenkran verlässt das Werk
(Köthen/M. Rothe; I. Tuczek) Schon vor der Wende Kunde bei Kranbau Köthen, erteilte der weltweit bekannte Stahlmagnat Thyssenkrupp Steel Europe AG (TKSE) den Kranbauern Ende November 2019 den Großauftrag, einen Pfannentransportkran in Zwei-Träger-Ausführung mit 40m Spannweite und einer Tragfähigkeit von 390t zu bauen. Schnell stellte sich heraus: das wird ein Kran, der seines Gleichen sucht. Genau dieser Kran verließ nun termingerecht im April das Werkgelände der Kranbau Köthen GmbH. Aber was macht das Projekt so besonders, welche Anforderungen stehen dahinter?
Verantwortlich als Projektleiter für dieses Mammutprojekt ist Ingo Tuczek, einer der erfahrensten Kollegen aus dem Vertrieb, welcher auf 25 erfolgreich umgesetzte Kranprojekte beim Kunden Thyssen zurückblicken kann. Als im Juli 2019 die Anfrage kam, einen Kran in dieser Größenordnung zu bauen, wurde mit größter Sorgfalt die Machbarkeit insbesondere in der Fertigung untersucht, da die vorhandenen Maschinen für diese riesigen Brückenträger nicht mehr ausreichten. Gemeinsam wurden entsprechende Konzepte und Lösungen entwickelt, um auch diesen Kran anbieten zu können. Für Kranbau Köthen als Spezialist im Sonderkranbau war dieses Projekt eine enorme Herausforderung, insbesondere was die Logistik in den Fertigungsabläufen, die Transporte und die Montage derart schwerer Bauteile betrifft. Am Ende hatte sich der Aufwand gelohnt, der mittelständische Kranbauer setzte sich schlussendlich gegen seine Konkurrenz durch und erhielt Ende November 2019 den Zuschlag.
Abb. 1: Der Pfannentransportkran im Probebetrieb in der Fertigung ©Foto: Kranbau Köthen GmbH
Problemstellung und Anforderungen des Kunden
Ausgangspunkt war ein 360t-Kran Baujahr 1974, der Jahre später zwar auf 380t mit einer Hubgeschwindigkeit von 3,5m/min aufgelastet wurde, aber heutzutage nicht mehr ausreichend in seiner Leistung ist. Daher soll dieser ausgetauscht werden und durch einen neuen Pfannentransportkran ersetzt werden, der den aktualisierten Anforderungen an eine höhere Leistungsfähigkeit – sprich doppelte Hubgeschwindigkeit und höhere Traglast – des Kunden gerecht wird.
Der Kran wird als Mittelkran die zwei Brammenstranggießanlagen in der Gießhalle im Oxygenstahlwerk 2 im Thyssenkrupp Stahl Gießwerk Duisburg Beeckerwerth bedienen (zur besseren Vorstellung: knapp 70 Pfannen werden hier täglich gehoben) und muss daher für eine Umgebungstemperatur von 60 Grad ausgelegt sein. Zum Transport feuerflüssiger Massen nach DIN EN 13135 und DIN EN 14492/2 gehören z.b. auch Nothaltezangen für das Haupthubwerk. Zudem sind alle sicherheitsrelevanten Funktionen nach Steuerungskategorie 3, Performancelevel D nach DIN EN ISO 13849 zu erfüllen. Die Planung erfolgte von TKSE bis ins kleinste Detail und ist in einem 180-seitigen Lastenheft dokumentiert.
Abb. 2: Verladung Träger 1 mit Blick von oben ©Foto: Kranbau Köthen GmbH
Abb. 3: Verladung Träger 2 in der Fertigungshalle ©Foto: Kranbau Köthen GmbH
Kundenspezifische Lösung und Besonderheiten
Was soll man sagen: die Kranbauer machten ihre Hausaufgaben. Mit 3.000 Stunden im Bereich Projektierung/Vertrieb, nach rund 10.000 Stunden Konstruktionsarbeit und schlussendlich ca. 50.000 Stunden in der Fertigung entstand der neue Zwei-Träger-Brückenkran. Mit seinen Parametern von 390/60t Tragfähigkeit, einer Hubgeschwindigkeit von 10 m/min und der Spannweite von 40m gilt dieser Kran als der größte Kran mit zwei Brückenträgern, den Kranbau Köthen in diesem Umfang je gebaut hat. Der Pfannentransportkran verfügt über ein Haupthubwerk mit Seileinscherung 40:4 sowie ein Verschiebewerk an der Laufkatze, um Hilfshubhaken in die Gießpfanne einhängen zu können. Die Oberflasche des Verschiebewerkes ist auf einer extra Ebene unterhalb der Laufkatze angeordnet. Die Traverse ist drehbar ausgeführt und mit einer sehr genauen Wägetechnik ausgerüstet. Auch zusätzliche Lastaufnahmemittel können aufgenommen werden. Eine Besonderheit stellt das System der Hakenmaulsensorik in den Haken der Gießtraverse dar, die beim Heben einer Last zum Einsatz kommt: zwei Sensoren im bestimmten Winkel überprüfen die Positionierung der Lamellenhaken, damit die Gießpfanne vor Beginn des Hubvorganges sicher im Hakenmaul liegt. Erst dann erfolgt die Freigabe der Hubbewegung.
Abb. 4: Traverse auf Tieflader zum Transport bereit ©Foto: N. Wadsack
Außerdem wird der Pfannentransportkran als so genannter Mittelkran von den drei sich auf der Kranbahn befindlichen Krananlagen eingesetzt, was ihm eine wesentliche strategische Bedeutung zukommen lässt. Dieser Brückenkran ist nämlich der einzige Kran, der die Pfannendrehtürme von der Stranggießanlage 1 und 2 mit Gießpfannen versorgt – sprich: wenn eben jener Kran ausfällt, steht das ganze Stahlwerk still – er ist also für den laufenden Prozess extrem wichtig. Daher sollte einem Kranausfall bereits vorab möglichst entgegen gewirkt werden. Da kommt das Thema Redundanz ins Spiel. Das Hubwerk ist von Seiltrieb und Hubwerksantrieben redundant ausgelegt, d.h. bei einem Motorausfall kann mit halber Geschwindigkeit weiter gefahren werden. Weiter kommt es bei einem Seilriss nicht zu einem Lastabsturz, da ein Umlagerungsstoß erzeugt wird, der durch die Seilwippe hydraulisch abgedämpft wird. In der Schaltanlage ist ebenfalls eine Vielzahl an Redundanzen vorgesehen um eine hohe Verfügbarkeit des Kranes zu gewährleisten.
Die elektrischen Komponenten wie alle Motoren, die komplette Schaltanlage, die Klimaanlagen, sämtliche Sensoren, Umrichter usw. wurden durch externe Auftragnehmer komplett im Werk bereits eingebaut und vor in Betrieb genommen. Im Anschluss wurden gemeinsam mit dem Kunden die Funktionstests durchgeführt, welche eine Woche in Anspruch nahmen. Erwähnenswert ist noch die spezielle Farbgebung des Kranes: eine Art Flieder/Blau-Ton in Kombination mit Gelb und Türkis als Ergebnis einer von TKSE beauftragten Farbstudie für Industrieanlagen.
Abb. 5: Verladung Träger 1 als Schwerguttransport ©Foto: Kranbau Köthen GmbH
Spezielle Hindernisse und Knackpunkte
Wie in so vielen anderen Unternehmen stellte auch bei Kranbau Köthen die Pandemie eine besondere Herausforderung in der Abwicklung des Alltagsgeschäfts dar. So waren etliche Termine wie Zeichnungsdurchsprachen mit dem Kunden allesamt nur virtuell möglich. Der Einkauf stand vor der Herausforderung alle Zukäufe termingerecht abzuwickeln, bspw. die maßangefertigten Sondergetriebe. Nichtsdestotrotz konnten die Kranbauer den vereinbarten Liefertermin halten und pünktlich Ende April 2021 den Pfannentransportkran in mehreren Teilen auf den Weg nach Duisburg bringen.
Man kann sich sicherlich bildhaft vorstellen, dass die Spedition eines solchen Riesen aus Stahl vorab einer genauen Planung bedarf. Wir sprechen hier nämlich von Schwerguttransporten auf dem Landweg in Kombination mit der Verschiffung der Schwerlastteile auf dem Wasserweg. Vor allem für den Streckenabschnitt Köthen-Aken mussten allerlei Maßnahmen ergriffen werden, um rechtlich und sicherheitstechnisch gute Transportbedingungen zu schaffen. Für den LKW-Transport von Köthen nach Aken sind bspw. vorab Streckenprüfungen erforderlich gewesen und Streckengutachten zu erstellen. Zudem sind behördliche Genehmigungen für den Straßentransport jedes Bauteiles und die Genehmigung aus der Anhörung der Deutschen Bahn einzuholen. Verkehrslenkende Maßnahmen im Sinne von weiterer Transporthindernisbeseitigung sind in mehreren Ortschaften durchzuführen gewesen. Darunter fällt die Demontage von Lichtmasten und Ampeln sowie das Anheben von Oberleitungen, das Auslegen von Stahlplatten zum Schutz der Gehwege und der Schilderdienst – sprich: Schilder beseitigen, Halteverbotszeichen und Absperrungen aufstellen.
Abb. 6: Der Convoi navigiert mit Träger 1 aus der Fertigungshalle ©Foto: Kranbau Köthen GmbH
War die aufwendige Planung des Transports mithilfe der Speditionsfirma erst einmal abgeschlossen, ging die Verladung an mehreren Tagen im Pendelverkehr von statten. Für diese (acht) Schwerguttransporte bedarf es nämlich neben der BF4- auch die polizeiliche Begleitung und diese findet wiederum vornehmlich in den späten Abendstunden ab ca. 22 Uhr statt, um den Berufsverkehr tagsüber nicht zu stören. Das war auch ein Transport der besonderen Ausmaße, welcher sogar die lokale Presse anlockte: die zwei zu transportierenden Brückenträger sind 4m hoch und 3m breit und das bei einer Convoi-Länge von ca. 70m! Da gab es schon die ein oder andere heikle Stelle an Kreisverkehr, Kurve oder Kreuzung zu überwinden. Letztendlich ist der Transport sowie der Umschlag im Akener Hafen gut geglückt und nach 5tägiger Fahrt auf der Elbe kamen die drei Binnenschiffe wohlbehalten im Duisburger Hafen an. Nach der Ausladung mit dem eigens dafür aufgestellten Gittermastkran konnte pünktlich zum 02. Mai die Vormontage am Boden beginnen. Nach 4 Wochen wird der Kran dann auf die eigens dafür gebaute Kranbahnverlängerung außerhalb der Gießhalle gesetzt und dort komplettiert. Um als Mittelkran eingesetzt werden zu können, muss der Kran unter dem ersten Kran durchfahren. Dafür muss wiederum der vordere Kran mittels zweier Raupenkrane angehoben werden. Also bleibt es spannend!
Abb. 7: Schwerguttransport bei Nacht – heikle Navigation an der Kreuzung beim Kranbau ©Foto: Kranbau Köthen GmbH
Zahlen, Daten, Fakten
- Bezeichnung: Pfannentransportkran
- Parameter: 390/60t x 40m
- Kunde: Thyssenkrupp Steel Europe AG (TKSE)
- Land: Deutschland
- Umsetzungszeitraum: 2019-2021
- Lastenheft: 180 Seiten
- Investitionshöhe: ca. 14 Mio. EUR
- Personenstärke: ≈3000 h im Bereich Projektierung/Projektleitung; ≈10.000h in der Konstruktion; ≈50.000h in der Fertigung; für die Montage vor Ort ≈2 Bauleiter von Kranbau Köthen und bis zu 30 Monteure für Auf-/Einbau der Mechanik und Elektrik
- Spezifikationen: Gesamtlieferung über 900t; Hubgeschwindigkeit von 10 m/min; Hakenmaulsensorik; Redundanz durch Planetengetriebe; Transport feuerflüssiger Massen nach DIN EN 13135 und DIN EN 14492/2; Sicherheitsrelevante Funktionen nach Steuerungskategorie 3, Performancelevel D nach DIN EN ISO 13849
Abb. 8: Verladung am Hafen in Aken (Elbe) ©Foto: Kranbau Köthen GmbH
Abb. 9: Träger nach dem Umschlag bereit zur Verschiffung nach Duisburg ©Foto: Kranbau Köthen GmbH
Über die Kranbau Köthen GmbH
Die Kranbau Köthen GmbH ist auf Sonder-, Prozess- und Automatikkrane spezialisiert. Am traditionsreichen Standort Köthen in Sachsen-Anhalt werden gemäß individueller Kundenvorgaben komplette Krananlagen als Brücken-, Halbportal- oder Vollportalkran geplant und gefertigt. Das Unternehmen greift auf mehr als acht Jahrzehnte Erfahrung zurück und zählt zu den führenden Kranbau-Herstellern in Europa.